Unerwünschte Haltbarkeit - pervertierte Sollbruchstellen

von Kai Romhardt

Der Wecker ist schon nach neun Monaten kaputt. Der Tintenstrahldrucker verabschiedet sich nach 2000 Blatt. Eine Handy gibt exakt nach zwei Jahren seinen Geist auf. Der technische Fortschritt der letzten Jahrzehnte hat leider in den meisten Produktbereichen nicht dazu geführt, dass wir robustere, langlebigere, ja, unverwüstliche "Innovationen" angeboten bekommen, sondern in vielen Feldern scheint das Gegenteil der Fall.

Vor kurzem sprach ich mit einem angehenden Wirtschaftsingenieur. Er berichtete mir, dass sie in Materialkunde und Konstruktion lernen, Produkte so zu gestalten, dass sie nach einer vorgegebenen Zeit kaputt gehen. Die statistischen Erfahrungswerte sind inzwischen so gut, dass man sehr genau voraussehen kann, dass ein Kugellager nach x-tausendfacher Inanspruchnahme kaputt geht. Oder eine Strebe wird so dünn gerechnet, dass sie nach einer vorgegebenen  Nutzungsdauer bricht.

Die Vorgaben für die Nutzungsdauer kommen immer häufiger vom Marketing. Der Kunde sei z.B. bereit nach 2000 gedruckten Blatt einen neuen Drucker zu kaufen, also, lassen wir das Gerät nach 2000 Blatt kaputt gehen. Und wenn das zu schwierig ist, installieren wir einen "Game-Over"-Chip, der den - voll funktionsfähigen - Drucker nach 2000 Blatt lahm legt, wie jüngst bei HP praktiziert.

Langlebigkeit und Haltbarkeit sind Wunschziele einer nachhaltigen und achtsamen Wirtschaft. Aus einer anderen Perspektive sind diese Eigenschaften aber Wachstumskiller, bremsen den Konsum und sind das Gegenteil von Mode und Wegwerfmentalität. An kaum einer anderen Stelle wird die Ineffizienz unseres Wirtschaftssystems deutlicher als hier.

Der Ingenieur kennt seit langem die Sollbruchstelle. Diese ist ein spezielles Konstruktionselement, das im Schadens- oder Überlastfall gezielt versagt oder bricht und so den möglichen Schaden in einem Gesamtsystem klein hält. Solche Sollbruchstellen machen in jeder Dimension Sinn.

Die beschriebene "Konsumauslösbruchstellen" ist hingegen eine Perversion. Ingenieure, die Dinge so konstruieren, dass sie bewusst weit vor ihrer möglichen Lebensdauer kaputt gehen, setzen ihr Wissen nicht zum Wohle aller ein, sondern werden zu Handlangern eines Systems der Verschwendung und Nicht-Wertschätzung.


Zurück