Kontemplationen für beschäftigte Leute

von Kai Romhardt

Kontemplationen für beschäftigte Leute

 

Möge ich meine Reaktivität verringern und Impulsdistanz kultivieren.

 

Möge ich zwischen zwei beliebigen Aktivitäten eine kleine Lücke entstehen lassen, in der ich mich mit einem Lächeln vergewissere, dass ich frei und freudig leben und arbeiten möchte.

 

Möge ich mit liebevollem Blick auf mich und meine Umgebung schauen.

 

Möge ich mich und andere weniger beurteilen.

 

Möge ich mich nicht in der Zukunft oder meinen Projekten verlieren und nicht Zuflucht im äußeren Erfolg suchen.

 

Möge ich die natürlichen Pausen des Tages als Geschenke genießen und nicht mit Zusatzaktivitäten zupacken.

 

Möge ich ein Bewusstsein dafür entwickeln, in welchem Geisteszustand ich mich gerade befinde und entsprechend handeln oder nicht handeln.

 

Möge ich erkennen, wenn Ungeduld, Unzufriedenheit, Angst oder Gereiztheit in mir aufsteigen und diesen Geisteszuständen nicht das Kommando über meine Worte, Taten und Gedanken überlassen.

 

Möge ich regelmäßig und bewusst, Geisteszustände wie Freude, Mitgefühl, Mitfreude, Gelassenheit oder Geduld in meinen Geist einladen und nicht darauf warten, dass sie mir „passieren“.

 

Möge ich auch an vollen Tagen kurze Mußephasen einlegen, Phasen, in denen es nichts zu tun gibt, in denen mein planender Geist zur Ruhe kommen kann und nicht einer Zielerreichungslogik folgen muss.

 

Möge ich mir selbst nichts vormachen, meine Handlungen nicht rationalisieren und keine Geschäftigkeit vortäuschen.

 

Möge ich das rechte Maß zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit finden.

 

Möge ich es lernen, friedvoll im gegenwärtigen Augenblick zu verweilen, mein einfaches Sein zu genießen und die tiefe Freude der Absichtslosigkeit zu berühren.

 

Möge ich regelmäßig in den Modus des Nicht-Kontakts zu Arbeit und Projekten eintreten und mir den Status der Nicht-Erreichbarkeit erlauben.

 

Möge ich Aufgaben nachgehen, an deren tieferen Sinn ich glaube und meine Lebenskraft nicht in den Dienst sinnloser Zwecke stellen.

 

Möge ich die freudige Entspanntheit von Singletasking erfahren und unnötiges Multitasking beenden.

 

Möge ich mir immer wieder Zeit zu Sammlung und Konzentration nehmen und nicht im Autopilotmodus arbeiten, zuhören oder Entscheidungen treffen.

 

Möge ich mir nicht alle Optionen offen lassen, sondern durch weise Wertentscheidungen die Anzahl meiner Möglichkeiten reduzieren und so zu einem sicheren Pfad für mein Leben gelangen.

 

Möge ich weise Lehrer, Gleichgesinnte und Weggefährten finden, die mir auf meinem Weg helfen und mich leiten.

 

Möge ich die wahren Antreiber in meinem Leben erkennen und mich nicht mit Aktivität und Arbeit betäuben.

 

Möge ich mich nicht von der Geschäftigkeit und Atemlosigkeit meines Umfeldes anstecken lassen.

 

Möge ich mehr Zeit und Energie in die Zähmung meines Geistes investieren.

 

Möge ich mehr darauf achten, WIE ich die Dinge tue und ein Bewusstsein für die Qualität der vielen kleinen Schritte meines Lebens gewinnen.

 

Möge ich lernen, das Unscheinbare und scheinbar Normale wahrzunehmen, wertzuschätzen und zu genießen.

 

Möge ich vor dem Unangenehmen nicht flüchten und es nicht vermeiden.

 

Möge ich mich nicht in innere oder äußere Ablenkung flüchten, wenn ich allein bin.

 

Möge ich mich mit der Stille anfreunden.

 

Möge ich beim Zuhören, den inneren Parallelvortrag sanft zum Schweigen bringen indem ich mich auf meinen Atem konzentriere und nicht jedem Gedankenimpuls folge.

 

Möge ich die Kraft und den Willen finden, mein Smartphone auch einmal zu Hause zu lassen.

 

Möge ich mich von eingeschränkten Bilder meiner Selbst und von Identifikationen befreien und mein wahres Selbst berühren, das mit allem mühelos und natürlich verbunden ist.

 

Möge ich verstehen, wie die Grundüberzeugungen der Gesellschaft und meiner Herkunftsfamilie meine Ideen von Arbeit und Geschäftigkeit durchdringen und meine Handlungen und Emotionen lenken.

 

Möge ich es ertragen, auf Dritte sichtbar unbeschäftigt zu wirken.

 

Möge ich jeden Tag aufs Neue über meine Unvollkommenheit lachen.

 

Mögen alle Wesen glücklich sein.

 


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